Life-Mentoring für internationale Studenten
Durch das Zusammenleben als interkulturelle familienähnliche Gemeinschaft können die kulturellen Unterschiede (das Fremde und das Eigene) sofort und konkret angesprochen werden. Hierdurch werden die Kompetenzen wie interkulturelle Toleranz, Offenheit für Erfahrungen täglich trainiert und gestärkt.
Die interkulturelle und familienähnliche Gemeinschaft erhält durch den interkulturellen Freundeskreis jeder Mitbewohner*In Impulse von außen. Regelmäßige (ggf. auch religiöse) Feste, come together, gemeinschaftliche Essen und internationales Kochen stärken das Zusammenleben der interkulturellen familienähnlichen Wohngemeinschaft.
Durch die Rolle der Life-Mentorin/Vermieterin, des Life-Mentors/Vermieters, die/der nach dem Lean-Management Ansatz (Selbstverantwortung, Gemeinschaftsverantwortung) führt, ist der kontinuierliche Verbesserungsprozess der interkulturellen Wohngemeinschaft gewährleistet.
Regelmäßige Meetings, Einführung von Pilotprojekten nach dem PDCA -Zyklus (Shewhart, 1986), Einführung von gemeinsamen Standards wie z.B. einer gemeinsamen internetbasierten Kommunikationsplattform, wie z.B. Regeln des Zusammenlebens, Einbeziehung der MitbewohnerInnen in den Prozess, lassen das Vertrauen wachsen und erweitern den interkulturellen Horizont.
Das Angebot regelmäßiger individueller Supervision/ Mentoring (Zielentwicklung/Lebensplanung) unterstützt die zielgerichtete Integration der jeweiligen Mitbewohner*In in die deutsche Gesellschaft / Arbeitsmarkt.
Sprache ist Macht und so ist es ein Standard der interkulturellen familienähnlichen Wohngemeinschaft, dass jede Mitbewohner*in ihr Deutsch Level so ausweitet, dass das Alltagsleben in der Universität und in der deutschen Gesellschaft (Behörden, Ärzte, Krankenkassen, Banken etc.) selbstständig und alleine bestritten werden kann. Das Ziel ist, dass Deutsch zur Hauptsprache der Wohngemeinschaft und Englisch unterstützend und im Übergang angewendet wird.
Dieser Ansatz führt zu den Wirkungen interkultureller Handlungskompetenz von Thomas (2017):
- Erhöhung der Chancen zur konfliktfreien Kommunikation, Interaktion und Kooperation mit Partnern unterschiedlicher kultureller Herkunft.
- Reduzierung von Kontrollverlust und damit verbundene Irritationen, Verunsicherung, Verärgerung und Abbruch sozialer Kontakte.
- Gewinnung von Chancen zum effektiven Einsatz eigener, fachlicher und beruflicher Ressourcen, wie Wissen, Kenntnisse, Erfahrungen, Expertise, in der Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern.
- Schaffung von Voraussetzungen zur produktiven Zusammenarbeit in plurikulturellen Arbeitsgruppen.
Speziell für die Zielgruppe der Ingenieur*innen formuliert Thomas zwei weitere Wirkungen interkultureller Handlungskompetenz (die sich auf andere Professionen anpassen lassen):
- Ermöglichung der Entdeckung und Nutzung kultureller Unterschiede zur Schaffung technischer und ingenieurwissenschaftlicher Synergien und Innovationen. z. B. bei der Produktentwicklung.
- Aufbau eines vertieften Verständnisses für die Wirksamkeit kultureller Einflussfaktoren auf die Entwicklung, Gestaltung, Nutzung und den Umgang mit Technik, Aufgabenstellungen von Ingenieuren und Erkenntnissen von Naturwissenschaftlern.
Das Konzept der Interkulturellen Handlungskompetenz von Thomas (2017) geht von drei Annahmen aus:
- Die konfliktreich verlaufende und für beide Seiten belastende kulturelle Überschneidungssituation ist deshalb so schwer zu beseitigen, weil alle diese Prozesse automatisch, d. h. unterhalb der Bewusstseinsschwelle ablaufen.
- Mit der Beobachtung des unerwarteten Verhaltens seitens des Partners wird zugleich ein Erklärungsprozess (Attributionsprozess) aktiviert, um eine zutreffende und zufriedenstellende Erklärung für das unerwartete Partnerverhalten zu finden.
- Die Aufgabe besteht nun darin unter Beibehaltung des Eigenen und des Fremden die Besonderheiten des Interkulturellen zu erkennen, zu verstehen, zu respektieren und produktiv damit umgehen zu können.
Die Zuordnung der Begriffe das „Eigene“, „Fremde“ und „Interkulturelle“ stellt Thomas in nebenstehender Graphik dar.
Studie 2020 – Interkulturalität während des Studiums
Vor dem Hintergrund der Arbeiten von Thomas (2017) und des von der
UNESCO beschriebenen Kulturbegriffs (1982) betreiben wir eine Studie „Interkulturelle
Integration während des Studiums?“. In der kulturellen Überschneidungssituation
treffen Partner unterschiedlicher kultureller Herkunft aufeinander. Es treffen
eigenkulturelle Orientierungen (Standards) auf andersartige kulturelle
Orientierungen (Standards) des fremden Partners. Es entstehen auf beiden Seiten
Irritationen, Verunsicherungen und Kontrollverlust die auch automatisch oder
nichtbewusst erfolgen. Attributionsprozesse der Partner werden aktiviert. Diese
werden beeinflusst von Kontextbedingungen wie etwa Vertrautheit der Umgebung oder
Supportangebote und Personenbedingungen wie etwa Persönlichkeit oder Interkulturelle
Kompetenz (siehe Feldtheorie, Lewin, K., 1963).
Mit einem Fragebogen zur Selbsteinschätzung befragen wir Studierende
ausländischer Herkunft, die im Rahmen ihres Studiums seit mindestens drei
Monaten in Deutschland leben bzw. mindestens drei Monate in Deutschland gelebt.
Ziel der Studie ist aktuelles Wissen für eine gelingende interkulturelle
Integration von Studierenden im interkulturellen Kontext bereitzustellen.
Literatur
- Kurt Lewin (1963): Feldtheorie in den Sozialwissenschaften. Bern.
- Shewhart W.A. (1986): Statistical Method from the Viewpoint of Quality Control; Dover Publ., New York
- Thomas, A. (2017): Technik und Kultur, essentials“. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Wiesbaden.
- UNESCO (1982): https://www.unesco.de/sites/default/files/2018-03/1982_Erkl%C3%A4rung_von_Mexiko.pdf.